Sommerinterview

Christian Lindner im ARD Sommerinterview. Screenshot ARD
Christian Lindner im ARD Sommerinterview. Screenshot ARD

„Ampel-Streit“, „Deutschland umbauen“, „Notlage“, „Nicht unter Habeck“, Scheidungspapiere auf dem Tisch“, „Lindner weicht aus“ “Hauhalt auf Kosten der Sicherheit“

Also, das abstruseste Fazit aus dem Sommerinterview mit Christian Lindner gestern in der ARD, mein Favorit, ist natürlich die bahnbrechende Erkenntnis: „Lindner will nicht unter (sic) Habeck Finanzminister werden!“ Echt jetzt? Ich meine, wer ausser Ricarda Lang möchte das? Und wo kommt der Glaube her, Habeck könne Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden? Und wer glaubt ernsthaft, dass es eine Neuauflage einer Regierung geben könnte, in der Habeck nicht nur Vize-Kanzler und Lindner Finanzminister ist?

Das hat doch nichts mehr mit ernsthaftem Journalismus zu tun. „Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkeln, nahe dem Tannhäuser Tor“. Torsten Sträter wird mir verzeihen dass ich ihm den Gag mit der Anspielung auf Blade Runner geklaut habe - aber abstruser geht es wohl nicht mehr.

Auch „Scheidungspapiere“ habe ich im Interview nicht erkannt. Es ist doch erstaunlich wie überraschend die Erkenntnis, dass die FDP eine eigenständige politische Kraft ist, selbst für Profis heute noch ist. Nein, wir sind nicht die Grünen und nicht die SPD und ja, die CDU, die wir auch nicht sind, war nicht in der Lage bei der letzten Regierungsbildung mitzuwirken. Meine Güte, zum fünftausendsten Mal: Das ist eine schwierige Koalition, sie ist laut, sie arbeitet, und die CDU hat es keinen Millimeter besser gemacht.

Der Knaller ist natürlich auch der Vorwurf, Lindner würde einen Haushalt auf „Kosten der Sicherheit machen“, mit Blick auf die Bundeswehr. Da sage ich nur „C-Beams am Tannhäuser Tor“. Ich weiß nicht wie lange, wieviele Finanzminister an der Bundeswehr gespart haben. Jahrzehnte, viele, bis sie praktisch nicht mehr vorhanden war. Lindner macht endlich wieder Geld locker für die Landesverteidigung. Was passiert? Pistorius wäre gefährlich angefasst, wirft man ihm vor. Wegen was eigentlich? Dass er es besser macht als Uschi, Anni und Chrissi? Pistorius ist die erste echte Verteidigungsministerin seit Jahren, er bekommt Geld für die Bundeswehr, die Nato bekommt zwei Prozent, alles ok.

Es gibt einen feinen Grat zwischen „kritisch nachfragen“ und „bewußt diskreditieren“. Das kann man an der Aufregung über die angebliche Diskriminierung Alleinerziehender durch Linder erkennen. Während er im Interview mehr als deutlich sagt: „Wer bedürftig ist, wer Hilfe braucht, wer unsere Solidarität verdient, braucht die Sicherheit … das er sie erhält“, gleichzeitig das Problem benennt, dass zweistellige Milliardenbeträge eben nicht denen zugute kommen, die unserer Solidarität bedürfen, wird effektwirksam ein offener Brief zitiert, eine Aufgeregte im Bild inklusive, die sich beschwert, dass Lindner angeblich Alleinerziehende diskriminiert hätte. Was nicht stimmt, er wurde aus einer früheren Aussage falsch zitiert. Egal, die Forderung nach einer Entschuldigung (für was?) wird aufrecht erhalten. Um, dieses Eindrucks kann man sich kaum erwehren, irgendwie die Forderung nach solidarischer, nicht unnötiger Sozialhilfe zu diskreditieren.

Würden Habeck, Scholz, etwas anderes fordern, wären sie an Lindners Stelle? Merz? Wohl kaum. Egal, Hauptsache es gibt angeblich überall Streit, draußen vor der Schulter des Orion. Einer freut sich bestimmt über diese Art von Berichterstattung. Nicht am Tannhäsuer Tor, eher am Kyffhäuser

 

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