Wirken
Was mich an der FDP schon immer fasziniert hat ist deren Wirkmacht. Ein aktuelles Beispiel ist der Unterschied zwischen Habecks (Grüne) und Lindners (FDP) Vorschlägen, wie Deutschlands Wirtschaft politisch wiederzubeleben sei. Die Reaktionen sind verblüffend.
Unser Wirtschaftsminister, Robert Habeck, präsentiert ein im schlechtesten Sinne revolutionäres Papier: Mit einem untertrieben harmlos genannten „Deutschlandfonds“ will er nichts weniger, als die soziale Marktwirtschaft abschaffen und die Planwirtschaft zurückholen. Da sollte man meinen, es geht ein Aufschrei durch die Presselandschaft des Landes der Dichter, Denker und Wirtschaftswissenschaftler. Immerhin ist der Mann verantwortlich für die deutsche Wirtschaftspolitik, Vizekanzler unseres Landes und Vertreter der zweitstärksten Partei in der Ampelkoalition. Und was passiert: Ein müdes Lächeln. Gut, man kann denken, was Habeck zum Thema Wirtschaft zu sagen hat nimmt schon lange niemand mehr ernst. Aber müsste das nicht umso mehr Anlass zur Besorgnis in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt sein? Müßte das nicht zu Protestaufmärschen von Gegnern und Befürwortern der staatlichen Planwirtschaft führen? Sollten nicht Plakate mit „DDR ist die Lösung“ von Anhängern Habecks durch Städte getragen werden, gerade in den westbelarussischen Gebieten Deutschlands? Sollte Wagenknecht nicht öffentlich zu den Grünen übertreten? Nüscht.
Also muß der Finanzminister Christian Lindner ran. Was macht der: Er schreibt einfach das auf, was im FDP Parteiprogramm steht. Was seine Parteibasis seit Monaten von ihm fordert. Das, wovon jeder, der sich halbwegs für Politik interessiert weiß, das es die Linie der Freien Demokraten ist. Er tut es vertraulich, im Gegensatz zu seinen weniger kollegialen Koalitionspartnern, deren Mitglieder ja ständig alles möglich ampelkontrainduziertes in die Mikrofone plärren. Obwohl die liberalen Forderungen, im Gegensatz zu Habecks Plänen, keinen staatsrevolutionären Charakter haben. Solide Wirtschaftspolitik eben. Was passiert?. Der Stern kriegt Wind davon und bumms - man hat den Eindruck eine Revolution steht bevor. „18 Seiten Sprengstoff – dieses Lindner-Papier ist eine Abrechnung“ behauptet der Stern. »Neoliberale Phrasendrescherei«, »Nebelkerze«, »Scheidungsurkunde« fasst der Spiegel zusammen, Scheidungspapier und Ampel-Wirbel vermutet das Handelsblatt. „Schlammschlacht“ und „Ampel-Chaos“ sind die Begriffe, die der Bildzeitung dazu einfallen.
Erstaunlich. Wunderbar. So. Meine Aufgabe ist es natürlich, noch etwas Öl ins Feuer zu gießen. Die Forderungen Lindners sind auch meine, ich alter Neoliberaler. Deswegen hier nochmal die „revolutionären“ Vorschläge der FDP zur adultisierung der deutschen Wirtschaftspolitik in Kurzform. Die vollständigen 18 Seiten TNT für Anhänger der CDU als Link darunter.
Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit
Um Deutschland wieder fit zu machen, schlägt FDP-Bundesvorsitzender und Finanzminister Christian Lindner ein Sofortprogramm für mehr Wachstum und Generationengerechtigkeit vor. Diese Überlegungen hat er am 31. Oktober vertraulich an Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck übermittelt. Diese Vertraulichkeit ist leider verletzt worden und das Papier an die Öffentlichkeit durchgestochen worden. (…)
- Neue Dynamik entfesseln
- Die Körperschaftsteuer wird in einem ersten Schritt unmittelbar im Jahr 2025 signifikant um zwei Prozentpunkte reduziert. Weitere Schritte sollten spätestens in 2027 und 2029 folgen, um mittelfristig maximal 25% zu erreichen.
- Der Solidaritätszuschlag wird in einem ersten Schritt im Jahr 2025 um 2,5 Prozentpunkte auf 3 Prozent abgesenkt. In einem zweiten Schritt sollte er im Jahr 2027 dann vollständig entfallen.
- Ein sofortiges Moratorium für nationale Bürokratiebelastungen: Das betrifft insbesondere das Tariftreuegesetz, das Lieferkettengesetz, das Entgelttransparenzgesetz, das Beschäftigtendatengesetz und die arbeitgeberfinanzierte Familienstartzeit.
- Kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand aus Brüssel: Deutschland bewirkt in der EU die Abschaffung der zusätzlichen Berichts- und Nachweispflichten aus dem „Green Deal“.
- Deutschland startet eine EU-Initiative, die auf die Abschaffung von CSRD, CSDDD, den Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft und die EU-Taxonomie zielt.
- Mehr Forschungsförderung: Die Spitzenforschung wird gestärkt durch flexible Finanzierungsinstrumente, ein technologieoffenes Forschungsfreiheitsgesetz und eine signifikante Erhöhung der Förderung um 1 Mrd. Euro.
- Europäische Klimapolitik statt deutschem Sonderweg
- Wir ersetzen die nationalen durch die europäischen Klimaziele.
- Die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) und die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) können dann reduziert oder zeitlich gestreckt werden.
- Deutschland wirkt auf europäischer Ebene auf die Abschaffung der Regulierungen zur Energieeffizienz, Gebäudeenergieeffizienz und der Flottengrenzwerte hin.
- Der EU-Emissionshandel wird alleiniges Leitinstrument.
- Klimapolitisch motivierte Dauersubventionen werden abgeschafft, der Klima- und Transformationsfonds (KTF) aufgelöst.
- Ausstieg aus der Subventionierung Erneuerbarer Energien.
- Carbon Capture and Storage (CCS) wird uneingeschränkt zugelassen.
- Diversifizierung der Gasversorgung: Die heimische Erdgasförderung wird ausgebaut, wozu sich aktuell das Gasfeld vor Borkum und Fracking-Verfahren anbieten.
- Mobilisierung des Arbeitsmarkts und der Sozialsysteme
- Abbau monetärer Fehlanreize bei Arbeitsaufnahme und -ausweitung.
- Die Bürgergeld-Regelsätze liegen über dem Bedarf und werden durch die Abschaffung der „Besitzstandsregelung“ abgesenkt.
- Flexiblere Arbeitszeiten: Systemwechsel von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit, zudem könnten Öffnungsklauseln für Ruhezeitregelungen genutzt werden.
- Asyl: Für subsidiär Schutzberechtigte wird ein gesonderter Rechtskreis mit einem abgesenkten Leistungsniveau ähnlich dem AsylbLG geschaffen – unter Beibehaltung des Arbeitsmarktzugangs.
- Die Bürgergeld-Regelsätze sind im Jahr 2024 überproportional angestiegen. Sie liegen im Jahr 2025 weiter über dem Bedarf und sollten daher durch die Abschaffung der „Besitzstandsregelung“ abgesenkt werden, um Arbeitsanreize zu stärken.
- Arbeiten im Alter attraktiver machen: Die Abschläge bei früherem und Zuschläge bei späterem Renteneintritt werden für einen flexiblen Renteneintritt angepasst.
- Die geltende Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung entfällt.
- Zukunftshaushalt 2025 als Bestandteil der Wirtschaftswende
- Konsolidierung ohne Steuererhöhungen: Wir priorisieren Ausgaben, die zu den Kernkompetenzen des Staates gehören.
- Priorisierung geht nicht auf Kosten der Investitionen.
- Die Kostendynamik bei den Sozialausgaben wird gebremst.
- Ineffiziente Subventionen werden reduziert: Die 10 Mrd. Euro für Intel entfallen und stehen für Zukunftsaufgaben und die Konsolidierung zur Verfügung.
Man kann das noch kürzer zusammenfassen: Es wird Zeit für unsere Ampel Koalitionspartner aus ihrem wirtschaftspolitischen Tiefschlaf zu erwachen. Zu wirken, wie der Lateiner sagt. PS: Apropos „wirken“: Ich will ja nicht wie ein kritikloser FDP Fanboy wirken (Smiley): Die Möglichkeit sich telefonisch krankschreiben zu lassen halte ich für gut. Sollte beibehalten werden. Das wars dann aber auch