Zuhören

Zuhören ist nicht die Stärke von Dr. Wulf Schmiese. Jedenfalls nicht im ZDF Sommerinterview mit Bundesfinanzminister Christian Lindner.
Aktuell werde über etwa 5 Milliarden EUR im vorliegenden Haushaltsentwurf für 2025 diskutiert, sagt Lindner. Angesichts eines Gesamtvolumens von 481 Milliarden EUR kein unlösbares Problem, sollte man meinen. Die SPD wäre „stinksauer“, weil Lindner die Rechtssicherheit bestimmter Aspekte des Haushalts prüfen läßt, sagt der Interviewer. Sauer, weil Lindner kein zweites Mal die Prügel für windige Haushaltskonstrukte der Koalitionspartner einstecken möchte? So what. Soll Esken meckern, Haushaltsplanung für die Bundesrepublik Deutschland ist schließlich kein Kinderfasching, natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen, natürlich ist es eine Kunst, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden.
Schmiese hat da wohl nicht zugehört. „Warum haben Sie das nicht vorher gelöst? Warum haben Sie vorher, sozusagen, dem Publikum schon suggeriert, wir haben nen prima Entwurf“? fragt er Lindner. Die erste Frage folgt dem bekannten Ampel-Muster: Es MUSS einen koalitionsgefährdenden Streit geben. Und, natürlich, Lindner, die FDP müssen Schuld daran sein: Alles andere scheint undenkbar zu sein. Selbst die Frage, wozu man den eigentlich einen Entwurf macht, wenn man nach Vorlage nicht mehr darüber diskutieren, korrigieren, justieren darf? Die zweite Frage ist die Interessante. Ein Vorgehen, dass, wenig originell, gerade erst im ARD-Interview genauso angewendet wurde: Der Fragende bezieht sich auf die eigene Sicht der Dinge. Die höchstens halbwahr ist, in jedem Fall subjektiv. Erklärt diese dann kurzerhand zur Tatsache und fordert Rechtfertigung dafür.
Lindner erwidert: „Entschuldigung, das ist Ihre Interpretation“. Jo. Da wird Schmiese merklich sauer, es verfinstern sich die Gesichtszüge. Was fällt dem FDP-Fuzzi ein? Der Ton wird rauer. No-more-Mr.-nice-guy denkt sich Schmiese: „Machen wir es konkret: Wo ist Ihre rote Line bei der Einsparung von 5 Milliarden?“ Antwort des Finanzministers: „Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte in unserem Land“.
Aufatmen, Applaus von meiner Seite. Nein, ehrlicher wäre: Stehende Ovation mit anschließender Umarmung. Es gibt sie noch, meine FDP. Die sich konsequent gegen den übermächtigen Wunsch nach Steuern, mehr Steuern, mehr Bürgerbelastung und damit weniger Bürgerfreiheit entgegenstellt. Wir wissen es, das ist der Punkt, an dem die FDP alleine da steht. Alleine vorm, natürlich abgabenfinanzierten, ÖRR, alleine vor allen anderen Parteien und alleine vor der Mehrheit der Bürger, die mehr Steuern zahlen will.
Das kann im ZDF-Sommerinterview nicht gut gehen. Tut es auch nicht. Schmiese flippt aus. Also auf eine Spock-mäßige Art. Aber man merkt: Es ist vorbei. Keine Steuererhöhungen? Solide Haushaltsführung ohne zuviel Schulden? Verrückt. Das kann nicht sein. Deswegen, Frontalangriff, Horrorvisionen: Ukraine wird überrannt, Trump wird Präsident und, unausgesprochen, Putin fällt in Deutschland ein: Brauchen wird dann nicht die Notlage, die Aussetzung der Schuldenbremse? Sie ahnen was kommt.
Ich kann mich nicht erinnern, dass das ZDF in den letzten 20 Jahren mal einen Beitrag gebracht hat, indem sich über das Kaputtsparen der Bundeswehr durch CDU geführte Bundesregierungen beschwert wurde. Also, jedenfalls nicht vor 2021. Lindner, Scholz, selbst Habeck beenden das Darben der Truppe nun. Stecken beispiellose 100 Milliarden (!) EUR in die Landesverteidigung, erhöhen die NATO Beteiligung auf zwei Prozent. Natürlich: Mehr geht immer. Aber ist es in dieser Situation vernünftig, so zu tun, als wäre es Lindners Schuld, die der FDP, wenn der Verrückte aus dem Kremel den Reichstag übernimmt? Ist das Verrückt? Bescheuert? Oder einfach nur der Furor des ÖRR-Mannes, der sich bei einer Lebenslüge ertappt fühlt?
Mann könnte zuhören. Man kann sich auch einfach mal die nackten Zahlen ansehen:

2014: 35 Milliarden EUR, 2024: 91 Milliarden EUR Etat der Bundesweher nach NATO Standards. Wie hoch soll der Verteidigungsetat 2025 denn werden? So hoch wie der Putins? Ich überlasse es Ihnen das zu beurteilen. Und dem ZDF. Ich gebe aber zu Bedenken: 2014 war Wolfgang Schäuble, CDU, Finanzminister. Angela Merkel, CDU, war Bundeskanzlerin. Ursula von der Leyen, CDU, war Verteidigungsministerin. Und: Auch 2024 gibt es genügend deutsche Stimmen, die sich GEGEN eine Unterstützung der Ukraine aussprechen. Die sich GEGEN die Stärkung der Bundeswehr aussprechen. Und es gibt diese Stimmen natürlich auch im Lager der Koalitionspartner der FDP. Ich betone es so oft es geht: Ich kann die Ampel nicht leiden. Aber zu behaupten, dieses Bündnis wäre nicht in der Lage gewesen, anders als die CDU, staatshaushalterisch auf eine schwierige Krise zu reagieren, ist falsch.
Klar, danach ist es einfach nur albern. Schmiese scheint sich selbst nicht mehr so ernst zu nehmen: „Wirtschaftskrise, nach drei Jahren (!) Mit(!)regierung der selbsternannten(!) Wirtschaftspartei FDP?“ Anders herum gefragt: Warum hat der kleinste (!) Koalitionspartner nicht in drei Jahren (!) das, was Merkel und Scholz in acht Jahren vorher gegen die Wand gefahren haben (!), repariert? Da der ZDF Vertreter ja vorher die FDP als selbsternannte Wirtschaftspartei bezeichnet hat, macht Lindner das, was eine Wirtschaftspartei macht: Sie stellt ihren Maßnahmenplan für die Ankurbelung der Wirtschaft vor. Das will Schmiese aber auch nicht hören. Er würgt Lindners Antwort ab. Der lacht nur. Es ist auch einfach lächerlich. Grüne und SPD würden ja wollen, nur die FDP blockiere, meint Schmiese nun. Wir sind am Beginn der Schleife angekommen. Die Koalition MUSS am Ende sein und die FDP MUSS Schuld sein. Gähn.
Ich bin gespannt, wie Saskia Esken dann im folgenden Interview die deutsche Wirtschaft und das Vaterland rettet. Was sie sagen wird ist egal, aber eines steht fest: Auf die FDP hören kann man nicht. Nur aufs ZDF.